1. Etappe: Solo Stelvio!

Rennrad: Müstair – Prad am Stilfser Joch – Stilsfer Joch/Stelvio (Passhöhe) – Sta. Maria im Müstairtal, 59.6km, 1859hm, 11.07.2018

Er gilt als einer legendärsten Pässe der Alpen, in Europa und vermutlich sogar auf der ganzen Welt: der Stelvio. Zu deutsch, das Stilfser Joch. Mit seinen 24,6km Länge und 1844 Höhenmeter ist er nicht nur einfach eine grosse sportliche Herausforderung, sondern er überzeugt auf seiner Nordostauffahrt vor allem durch die 48 zu bewältigenden Haarnadelkurven, die sich insbesondere auf den letzten Kilometern atemberaubend durch die baumfreie Landschaft bis zur Passhöhe schlängeln. Ein Muss für jeden Radsportbegeisterten! Daher setzte ich mir diese Auffahrt auch als Hauptziel für meine Ferien in Zernez.

Um nicht allzu müde am Fuss des Anstiegs anzukommen, suchte ich mir Müstair im Münstertal kurz vor der italienischen Grenze als Ausgangsort für die Tour aus. Über eine sehr angenehme, längere und lockere Abfahrt erreichte ich den Vinschgau in Südtirol. Italien also. Plötzlich tauchten Apfelplantagen auf, die bewässert wurden, plötzlich musste man mit Euros bezahlen, die ich aus irgendeinem Grund nicht dabei hatte. Nach einem kurzen Flachstück erreichte ich Prad, wo ich nochmals meine Trinkflasche füllen wollte. Immerhin musste ich im „schlimmsten“ Fall für die nächsten 2h auf Nachschub verzichten. Leider verpasste ich die Gelegenheit, as hingegen etwas und nach einer Rechtskurve fand ich mich inmitten des Anstiegs dieses Alpengiganten wieder. Ein Schild deklarierte: Passo Stelvio – Aperto. Geöffnet. Na dann!

Also begann ich auf 915m ü. N. den 24,6km langen Anstieg bei durchschnittlichen 7,5%. Das klingt etwas frustrierend, wenn man bedenkt, dass ich bereits bei Anstiegen wie dem Sattelegg in der Nähe Zürich extremst gelitten habe. Und dieser ist mit 11km Länge und ca. 6,5% Steigung nicht einmal halb so schwer. Alles nur Kopfsache, redete ich mir ein und radelte mit möglichst wenig Druck auf den Pedalen vor mich hin. Erste andere Fahrer überholten mich, unter anderem ein Herr im höheren mittleren Alter mit (vermutlich) seinem Sohn, die beide mit einem unglaublich lockeren Tritt an mir vorbeifuhren.

So ging es nun bergauf. Die Strasse zog sich fast geradlinig nach oben, die ersten der 48 Kurven liessen etwas auf sich warten. Ich musste mir andere Zwischenziele setzen. Zuerst passierte ich die Abzweigung nach Sulden, als nächstes sollte der Ort Trafoi auftauchen. Und nicht nur der: denn mittlerweile kam auch das Massiv des 3905m hohen Ortlers zum Vorschein. Da musste ich die Ortsdurchfahrt durch Trafoi für eine kurze Fotopause nutzen, sowie für etwas Nahrungsaufnahme (Energieriegeln) und einen kurzer Abstecher zum Geldautomaten (Euro für das Passrestaurant!). 

Nach dem kurzen Zwischenhalt passierte ich gleich mehrere der nun beginnenden Serpentinen. Mit zunehmender Höhe wurde auch die Aussicht auf die schneebedeckten Hänge der umliegenden Berge besser und besser. Gefühlt nahmen auch die Steigungsprozente zu. Während ich im unteren Teil selten über 8% kam, gab es jetzt einige Passagen zwischen 10% und 12%, und sogar darüber. Dankbar war ich nun über jede der Spitzkehren, da über diese, wenn aussen angefahren, Schwung für die nächste Steigungspassage mitgenommen werden konnte. Und langsam kam ich der Baumgrenze näher und sah das Berghotel Franzenshöhe vor mir. Der Beginn der spektakulären letzten 6,6km vom Stelvio!

Auf den letzten 6,6km schlängelt sich die Strasse unverwechselbar Richtung Passhöhe
Auf den letzten 6,6km schlängelt sich die Strasse unverwechselbar in Richtung Passo dello Stelvio

Leider fingen meine Beine an, erste Anzeichen von Müdigkeit zu zeigen und der Tritt war nicht mehr rund. Also machte ich das, was man gegen Müdigkeit macht: Essen. Der letzte Energieriegel sorgte für mehr Power, die traumhafte Aussicht sorgte für Adrenalin. Zig Fahrer vor und hinter mir, die mit mir zusammen den wohl spektakulärsten Passstrassenabschnitt Europas erklommen – unter anderem passierten mich der „Vater mit seinem Sohn“, die wohl eine längere Pause eingelegt hatten. Und obwohl ich die Pedalen schon längst nicht mehr locker kurbeln konnte, kam ich vorwärts. Mit jeder Kurve, mit der ich der Passhöhe näher kam, stieg die Euphorie. Gänsehaut bekam ich dann auf dem letzten Kilometer, was auch an den kühleren Temperature auf über 2700m ü.N. liegen konnte. Und dann war es geschafft.

24.6km, 1844hm, 48 Kehren – eine Legende bezwungen. Zusammen mit hunderten von Autofahrern, Motorradfahren und Radsportverrückten teilte ich mir diesen Moment. Belohnt wurde ich mit traumhaften Ausblicken auf das Ortlermassiv inklusive der Gletscher, auf die letzten 22 beeindruckenden Kehren des Stelvios sowie mit einer Portion Tagliatelle und einen abschliessendem italienischen Espresso. Gut, dass ich noch Geld abgehoben hatte.

Die traumhafte Aussicht auf das Ortlermassiv entschädigte für einige der Anstrengungen am Stelvio
Die traumhafte Aussicht auf das Ortlermassiv entschädigte für einige der Anstrengungen am Stelvio

Anschliessend bereitete ich mich auf die Abfahrt vor, d.h. ich zog mir eine Weste über, eine Windjacke an und stopfte mir Papierservietten in die Schuhe (Geheimtipp!), um den kalten Gegenwind zu stoppen. Das half ungemein, denn es zog sehr ungemütlich bei Abfahrtsgeschwindigkeiten um die 40-50km/h. Nach ein paar Kurven unterhalb der Passhöhe bog ich bereits rechts ab in Richtung Schweiz und bekam ein kleines Geschenk. Denn nach einem sehr kurzen Gegenanstiegen mit ca. 10hm erreichte ich den Umbrailpass, mit 2506m die höchste Passstrasse in der Schweiz. Diese „Trophäe“ nahm ich natürlich wohlwollend mit, bevor ich mich in die finale Abfahrt stürzte. 

Nach ein paar weiteren Kurven gewöhnte ich mich auch an das bergab fahren wieder. Der Umbrailpass ist wenig befahren, sodass trotz der eher engen Strasse die Abfahrt wirklich Spass machte. Auch, weil es nun wärmer wurde. In Sta. Maria im Münstertal angekommen entschied ich mich gegen einer Weiterfahrt über den Ofenpass und nach Zernez. Ja, ich fühlte mich in der Lage, das zu schaffen. Nein, ich hatte keine Lust, bereits am ersten vollen Trainingstag zu übertreiben. In den nächsten Tagen sollten immerhin noch weitere Abenteuer auf mich warten. So blieb es beim legendären Stilfser Joch als einziges, aber grossartiges Highlight der Tour. Solo Stelvio, also! 


English summary: The major goal of my holidays was to climb the renown Stelvio by bike. With 2758m above sea level, 24.6k length, 1844m elevation, 48 hairpins, the climb is one of the most legendary and spectacular in the Alps, in Europe and even worldwide. I started my tour from Müstair, a small village close to the Italian border. After a 15k warm-up (mostly downhill) ride, the road began to rise in Prad am Stilfser Joch. It should take me slightly more than 2.5 hrs to reach the top of the pass. A beautiful view of the massive summit of the Ortler as well as a tasty lunch meal (incl. Italian espresso) awaited me there. The last 6.6k with the famous hairpins of the Stelvio, I rode with tired muscles, but also with adrenalin-filled motivation. This was definitely one of the craziest and coolest things I have ever experienced in my ’sports‘ life.

Prolog: Aufwärmtraining durch Gestrüpp in Zernez

Lauf: Zernez – God Chavazana – Sivü – Zernez, 9.2km, 387hm, 10.07.2018

Sportferien! Im Sommer! Was kann es besseres geben? Und wie so oft in den letzten Jahren entschied ich mich auch diesen Sommer wieder für die Schweiz als Feriendestination. Genauer gesagt, die Schweizer Berge des Engadin, am Fuss des Schweizer Nationalparks. Zernez hiess der Ort.

Von Dienstag bis Sonntag wollte ich mich vollends auf das Training für die bevorstehenden Wettkämpfe von Inferno und Ultraks in Zermatt vorbereiten. Das heisst, dass vor allem Bergläufe auf dem Programm standen. Aber auch Wanderungen und vor allem eine Radfahrt sollte nicht zu kurz kommen – die Auffahrt auf das Stilfser Joch, auch liebevoll häufig nur mit dem italienischen Namen Stelvio genannt. Doch dies soll jetzt noch nicht das Thema dieses Blogbeitrags sein. Bereits auf meiner ersten kleinen Aufwärmtour entschied ich mich, für jedes einzelne der Laufabenteuer einen separaten Artikel zu schreiben. Denn bereits diese empfand ich als besonders erwähnenswert.

Noch ist es der Nationalpark bei Zernez etwas wolkenverhangen, schön ist es aber jetzt schon
Noch ist es der Nationalpark bei Zernez etwas wolkenverhangen, schön ist es aber jetzt schon

Obwohl die Wettervorhersage für die Woche eher heiteres Wetter vorausgesagt hat, regnete es am ersten Tag, wenn auch nur leicht. Am Mittag mit dem Zug angekommen, am Nachmittag für eine erste kleine Ausflugsrunde entschieden. Ein Aufwärmtour sozusagen. Ein paar Höhenmeter können dabei sein, aber die Welt wollte ich nicht einreisen. Und so lief ich bei eigentlich ungemütlichem Wetter in Wind und Regen den Inn entlang Richtung Susch im Norden. Auf halben Weg bog ich dann weg vom Inn rechts ab hinauf bis Clüs, wobei ich den längeren Weg über die God Chavazana bis zur Sivü wählte. Ich kann nicht sagen, was die romanischen Begriffe bedeuten, jedoch fand ich mich in einigen steileren Passagen wieder. Diese legte ich im Marschschritt zurück, denn es gab keinen Grund zu übertreiben am ersten Tag. Als ich die Alm bei Sivü erreichte, war der schwierigste Teil hinter mir und ab dann bewegte ich mich auf einen schönen Höhenwanderweg oberhalb von Zernez. Einmal blieb ich kurz mit der Innenseites meines rechten Knöchels an einem Stein hängen. Das erinnerte mich daran, die Konzentration hoch zu halten. Eine Verletzung käme mir sehr ungelegen. Den Abstieg (oder eher „Ablauf“) liess ich daher auch ruhig angehen. Peuapeu verlor ich an Höhe, doch die Vorfreude stieg – die Vorfreude auf die kommenden Ferien-/Trainingstage.


English summary: Summer holidays, finally! And as usual, I spent my summer holidays in Switzerland. This year, we visited the beautiful Zernez, a little mountain village which is basically the entrance to the Swiss National Park. Since my primary goal was to do sports, I planned for some mountain runs, hikes, and bike tours. The first little run I did on Tuesday afternoon, the arrival day, when I ran a 9.2k trail tour with 387m elevation gain. Only the start of a pretty exciting week of sports!

Einmal Murtensee und zurück

Rennrad: Bern Bahnhof – Uettlingen – Kerzers – Murtensee – Kerzers – Uettligen, 97.2km, 883hm, 23.06.2018

Erinnert ihr euch an den Skilanglaufausflug im Nationalpark Gantrisch, den ich im Februar 2016 mit zwei guten Freunden unternommen habe. Seitdem ist es her, dass ich den beiden einen Besuch abgestattet habe. Grund genug, um wieder einen Ausflug Richtung Bern zu unternehmen. Dieses Mal jedoch mit dem Rennrad.

Angekommen am Bahnhof Bern war das erste Ziel Uettligen – dem Wohnort der beiden. Ein Katzensprung sollte es sein, eine kleine Odyssee wurde es. Statt 7 fast flachen Kilometern hatte ich fast 13km und 150hm in den Beinen, als ich bei ihnen ankam. Zum Glück erwartete mich ein ausgedehntes zweites Frühstück zur Stärkung bevor es mit der eigentlichen Tour los ging.

Zu zweit begaben wir uns dann auf die Ausfahrt Richtung Murtensee. Über viele kleine Strässchen im Berner “Unter”-land gelangen wir über Kerzers an den mit 22.8km2 kleinsten der drei grossen Schweizer Jurarandseen (neben dem Neuenburger- und dem Bielersee). Die Landschaft war traumhaft, fast schon mediterran. Auf der einen Seite türmte sich der Jurahauptkamm mit dem markanten Gipfel des Chasserals auf, gegenüber fiel der Blick auf die Alpenkette mitsamt den berühmten Erhebungen des Berner Oberlandes. Das anspruchslosere Profil der bisherigen Tour sowie der leichte Rückenwind trugen dazu bei, dass die Ausfahrt ein reiner Genuss war.

Dies sollte so bleiben, bis wir an den Murtensee gelangten. Am Nordwestufer fuhren wir einen 38km/h-Schnitt, den ich im  Windschatten meines fast zwei Meter grossen Vordermanns auch gut folgen konnte. Meine Sportuhr zeigte mir bereits über 50 zurückgelegte Kilometer an. Und dann kam, was kommen musste und ich schon erwartete. Sobald wir die unterste Spitze des Sees erreichten und die Heimfahrt traten, verwandelte sich der vorher “leichte” Rückenwind in stärkeren Gegenwind um. Mein Beine wurden dementsprechend auch nicht frischer.

Auf dem ersten Abschnitt der Heimfahrt versuchte ich durch eine weiterhin höhere Trittfrequenz Kraft zu sparen. Zudem  hielt ich mich von nun an des Öfteren im Windschatten auf. Dies funktionierte im Flachen ganz gut. Als dann die kleineren, aber doch nicht zu verachtenden Anstiege zurück nach Uettligen anstanden, muss ich das ein und andere Mal abreisen lassen. Der Saft war raus. Die längere Velopause sowie der unnötige Umweg am Anfang zollten ihren Tribut. Irgendwie erreichten wir aber doch ohne grosse Verzögerung unser Ziel. Mit fast 100km war dies die längste Tour für mich seit gut zwei Jahren. Somit konnte ich am Abend sehr zufrieden noch Deutschland gegen Schweden schauen.


English summary: It has been more that two years when I did a nice cross-country skiing tour with two very good friends. So, it was definitely time for another visit – but this time for cycling. The almost 100k loop to Murtensee and back had two faces. The first and easy one with no climbs, tailwinds and fresh legs, the second and hard one with some climbs, stronger headwinds and tired legs. Still, it was a great experience as cycling with friends is definitely one of the best things to do.