Swiss Canyon Trail 45k

Lauf: Couvet – Creux du Van – Gorge de Chomeur – Couvet, 50.6km, 2470hm, 08.06.2019

Ziele setzt man zu Saisonbeginn. Das heisst am Anfang des Jahres. Wenn jedoch bereits vor Jahreswechsel die interessantesten Rennen ausverkauft sind, beispielsweise der Halbironman in Rapperswil, der Lavaredo Ultra Trail oder der Mont Blanc Marathon, dann muss man sich neue, alternative Ziele umsehen. Und um mich nächstes Jahr für das anscheinend spektakulärste Trailevent, den Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB), anmelden zu können, brauchte ich sogenannte ITRA-Punkte. Diese erhält man für die erfolgreiche Teilnahme an einem der vielen Qualifikationsrennen. Die 45k-Distanz des Swiss Canyon Trails gehört zu einem dieser Läufe. Und so entschied ich mich, den Swiss Canyon Trail im Schweizer Jura als einen meinen Saisonhöhepunkt zum Ziel zu setzen.

Die Bezeichnung 45k entspricht übrigens nicht der wahren Länge des Ultramarathons, sondern wurde aus puren Marketinggründen vom Veranstalter so gewählt – so gab es beispielsweise noch die 105k, 75k und 25k Distanz, die alle länger waren, als die Bezeichnung es vermuten liess. Für mich sollten schlussendlich 50.6km warten. Doch beginnen wir bei Kilometer 0, dem Start.

Km 0: Um 8:15Uhr fiel der Startschuss in dem kleinen Örtchen Couvet, ca. 30min entfernt von Neuchâtel. Mit mir machten sich 344 Läuferinnen und Läufer auf die knapp 51km lange Strecke. Das Profil sah „nur“ einen längeren und zwei kürzere Anstiege vor – und dennoch sollte sich die Höhenmeter zu 2470m aufsummieren. Das hiess für mich, von Anfang an mit den Kräften hauszuhalten.

Km 6: Den ersten kürzeren Anstieg passierte ich schneller als gedacht. Doch dies lag nicht an meiner beängstigt guten Form, sondern vielmehr an der Tatsache, dass ich mir die Strecke nicht ins allerletzte Detail angeschaut hatte.

Km 9: Ein längeres Flachstück hatte ich nun erreicht. Der lange Anstieg als Hauptschwierigkeit lag noch vor mir. Doch bereits bevor ich diesen erreichte, machte sich in mir eine gewisse Müdigkeit breit. Und diese bezog sich nicht auf die Beine, sondern war eher genereller Natur. Ich war die berufsbedingten kürzeren Nächte wohl noch nicht gewöhnt. Natürlich ging mir die Frage durch den Kopf, wie sich sich das auf die verbleibenden 42 Kilometer auswirken würde.

Km 15: 6km später hatte ich eine erste Antwort: Erstmal gar nicht! Seit Beginn des Anstiegs war die Müdigkeit verflogen, die ich vorher noch gespürt hatte. Der traumhafte Wanderweg schlängelte sich schon länger in kurzen Serpentinen den Anstieg hinauf und liess mein Herz höher schlagen. Vor Anstrengung, aber auch vor Freude. Mit gleichmässigem, aber schnellem Gehtempo überholte ich den ein oder anderen Läufer. Und genoss dabei die Umgebung. Ich fühlte mich frisch und in meinem Element.

Km 17: Nach zweieinviertel Stunden erreichte ich mit dem Gipfel von Le Soliat auf 1464m die höchste Stelle des Rennens. Und ich erfreute mich nicht nur der bisherig erbrachten Leistung, sondern auch der sich mir auftuenden Aussicht auf die Schweizer Seenlandschaft mit Bieler-, Neuenburger und Genfersee, auf den eindrücklichen Ausräumungskessel Creux du Van mit seinen 160m senkrecht abfallenden Felswänden sowie auf die unzähligen Jura- und Alpengipfel. Der Mont Blanc zeigte ich ebenfalls.

Der Ausblick von Le Soliat – der Neuenburger schimmert leicht im Hintergrund

Km 25: Die letzten acht gelaufenen Kilometer empfand ich irgendwie als seltsam. Die Hauptanstrengung war geschafft. Seitdem fiel das Profil leicht bergab. Es liess sich locker laufen. Doch irgend etwas war anders als bei meinem ersten Ultramarathon, dem Matterhorn Ultraks im letzten Jahr. Ich merkte, dass der Swiss Canyon Trail trotz seiner schönen Strecke nicht an die Atmosphäre des letztjährigen Rennens herankam. Vermutlich lag es auch an der geringeren Teilnehmerzahl. Ich joggte vor mich hin.

Km 29: Ich hatte die steilste Stelle überwunden. Nicht im Aufstieg, sondern im Abstieg. Und während ich die Downhill-Passagen genoss und meine mittlerweile besser auftrainierte Oberschenkelmuskulatur ausnutzen konnte, hatten viele meine Mitstreiter Probleme. Dies fiel mir noch stärker auf, als die 25km-Läufer auf unsere Rundstrecke stiessen, die wohl doch etwas weniger geübt waren. Bei Kilometer 29 wartete auch eine wichtige Verpflegungsstation auf mich, die von vielen uns zu jubelten Zuschauern besucht war. Sie läuteten förmlich den finalen Anstieg ein.

Solche mystische Kulissen beim Swiss Canyon Trail lassen jede Anstrengung vergessen

Km 33: Der doch stetig ansteigende Pfad der letzten vier Kilometer brachte uns Läufer nochmals auf stolze 1040m. Die dabei zu überwindenden 300hm waren wohl mit die schönsten, die ein Trailrunner sich vorstellen kann. Und dies lag nicht an der Aussicht, sondern vielmehr an dem verwunschenen Weg entlang des Bergbachs Ruisseau de Breuil, der sich durch eine Canyon-ähnliche Schlucht schlängelte. Viel abwechslungsreicher kann ein Weg nicht sein: Wurzelpassagen, mit Seilen gesicherte, aber leichte Kletterstellen, einen Wasserfall, Steinstufen – alles gab es inklusive.

Km 37: Ohne es zu wissen, hatte ich den westlichsten Punkt der Strecke erreicht. Die verbleibenden 14km hatten keine grösseren topografischen Schwierigkeiten mehr im Profil. Zumindest keine sichtbaren. Dennoch wollte ich mich nicht zu sicher fühlen. Immerhin sah ich verschiedene Läufer, zumeist von der kürzeren 25k Strecke, die aufgrund der vielen Bergabkilometer Krämpfe bekamen. Einem Läufer reichte ich eine meiner Magnesiumampullen, die mich bei einigen Läufen mittlerweile durch Tiefs gebracht hatte.

Km 42: Während ich zwei jüngere Läuferinnen an einem Anstieg überholte, die sich über die längere Distanz der 25k bzw. 45k-Läufe beschwerten, passierte ich die 42km-Marke. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich gerade einen mittelschweren Marathon absolviert hatte. Das 3. Mal konnte ich diese Distanz bei einem Lauf bewältigen. Sicherlich nicht in einer Topzeit. Aber mit deutlich weniger gezielter Vorbereitung, als ich in den beiden Vorjahren für den Jungfrau-Marathon oder dem Ultraks aufgewendet habe. Das Läuferhoch, die Vorfreude auf das Ziel und sicherlich das Adrenalin sorgten für eine unglaublich positive, motivierende Stimmung. Noch warteten jedoch achteinhalb Kilometer auf mich.

Km 46: Und jetzt war es vorbei, das Ziel aber noch 5km entfernt. Während ich mich auf den letzten 46 Kilometern im Gesamten sehr gut fühlte, jederzeit das Gefühl hatte, weiter pushen zu können, verliessen mich jetzt die Kräfte. Unangekündigt. Der Mann mit dem Hammer war einfach so da. Und ich konnte nichts machen. Ausser weiterlaufen. Und das tat ich. Nicht sonderlich schnell, aber irgendwie musste, nein, wollte ich die letzten fünf Kilometer noch hinter mich bringen.

Km 50.6: Die 6h-Marke hatte ich gerade passiert, als ich wieder ins Stadion einbog, wo ich am Morgen gestartet bin. Noch zwei letzte Kurven und ich setzte zu meinem kreativ markanten Zielsprung an. Aber so richtig wollte mir dieser nicht gelingen. Zu müde waren die Beine. Egal. Es war keine Kamera da, die diesen hätte einfangen könnten. Der schlussendlich erfolgreiche Zieleinlauf war mir dafür nicht egal. So sehr ich die letzten Kilometer gelitten hatte, mit der Zielüberquerung lief ich mein erstes offizielles Rennen über 50km. Und dies bei angegebenen 2470 Höhenmetern (meine Sportuhr zeigte „nur“ 1833hm an). Als Belohnung gab es nicht nur das obligatorische Finisher-Shirt, sondern auch 3 ITRA-Punkte, die ich nächstes Jahr für meine Bewerbung beim UTMB. Und ausserdem war ich nun trainiert für die nächsten Herausforderungen.

English version: My first highlight of the season was the 45k race at the Swiss Canyon Trail. Starting in a little village named Couvet this race was supposed to run along 50.6km in the Swiss Jura, accumulating over 2000m of elevation. I had an almost perfect race, given the little training and sleep a collected over the previous weeks. Only the last 5km were really hurting, while I could fully enjoy the track, the climbs, and the amazing view of the various lakes of Switzerland (Bienne, Neuchâtel, and Léman), the Creux du Van (a crater-like rock wall), and the peaks of the Swiss Alps (incl. Mont Blanc). Worth it!